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Geschichte über das Schloss, dem Amtsgebäude des Finanzamts Günzburg
Inhaltsübersicht
1452
Die spätmittelalterliche Oberstadt von Günzburg wurde vermutlich kurz nach 1300 als planmäßige, mauerumwehrte Stadtanlage gegründet. Damit fällt die Stadtgründung in eine Zeit, in der die Mehrzahl der Städte im deutschen Südwesten in ihrer politischen und wirtschaftlichen Position bereits gefestigt waren. Trotz dieser zunächst als ungünstig zu bezeichnenden Ausgangslage konnte sich die Neugründung gegenüber der schon existierenden älteren städtischen Siedlung um die Pfarrkirche St. Martin in erstaunlich kurzer Zeit etablieren und entwickeln.
Im Jahr 1452 verliehen die Habsburger als Ortsherren die Pfandschaft Günzburg - Reisensburg an Ritter Hans vom Stain, der sogleich mit dem Bau eines Schlosses begann. Es entstand am Rand des Stadtkomplexes innerhalb der bereits bestehenden Stadtmauer. Eine erste, doch schon recht anschauliche Vorstellung von diesem ersten Schloss liefert uns die älteste Stadtansicht von Günzburg aus dem Jahr 1555. Sie zeigt in der Südwestecke der mauerumwehrten Oberstadt einen massiven, rechteckigen Baukörper zu drei Geschossen mit Fachwerkgiebel und steilem Schopfwalmdach, dessen Firstlinie in Nord-Süd-Richtung orientiert ist. An der Südwestecke integriert das Burgschloss, eine Mischung aus Wehr- und Wohnbau, den Eckturm der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert.
Die erste Schlossanlage bildet noch heute die Grundstruktur des Hauptbaus:
die über einem Mittelpfeiler gewölbte Kelleranlage, der Eckturm, die Umfassungswände bis zum ersten Obergeschoss und Teile der Deckenbalkenlagen sind noch erhalten.
Im Rahmen der jüngsten Bauforschungen konnten diese Bereiche nachgewiesen werden.
Sowohl über dem Erdgeschoss als auch über dem ersten Obergeschoss haben sich mehrere Deckenbalken auf Winter 1542/53 datieren lassen, womit wir exakt in der Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung des Gebäudes liegen.
1580 / 1609
Nachdem Erzherzog Ferdinand II. von Österreich, der zweitgeborene Sohn von Kaiser Ferdinand I., im Jahr 1564 die Herrschaft über die Markgrafschaft Burgau übernommen hat, beauftragte er seinen Hofbaumeister Giovanni Lucchese mit Planungen zu einer neuen Schlossanlage.
Dabei war es dem Bauherrn wichtig, den spätgotischen Kernbau zu erhalten und ihn mit in die neue Schlossanlage einzubeziehen.
So entwickelte Giovanni Luccheses Sohn Alberto um das alte Gebäude herum eine Anlage, in deren Zentrum die Hofkirche steht, die die Anlage in zwei Hofbereiche trennt.
Das Innere des Schlosses war, darauf lassen erhaltene Inventare schließen, aufwendig mit hölzernen Vertäfelungen und Kassettendecken ausgestattet. Das Günzburger Schloss kann damals als sehr komfortabel bezeichnet werden und entsprach den damaligen Ansprüchen an das herrschaftliche Wohnen.
Nach dem Tod von Erzherzog Ferdinand II. ging das Günzburger Schloss zusammen mit der Markgrafschaft Burgau im Jahr 1605 an seinen Sohn, Markgraf Karl von Burgau, über.
Dieser nutzte es als einziger in Günzburg residierender Markgraf für 9 Jahre als Markgräfliche Residenz (1609 – 1618).
Damals wurde vermutlich der Westflügel um eine weitere Etage aufgestockt sowie im Norden des Schlosses ein aufwändig ausgestatteter Festsaal erbaut. Dessen Reste haben sich im ehemaligen Piaristenkolleg, dem heutigen Günzburger Stadtmuseum erhalten.
Aufgrund der Zerstörung 1703 sind wir über dessen Aussehen nur noch anhand schriftlicher Quellen informiert.
Der Festsaal im ersten Obergeschoss besaß eine hölzerne Kassettendecke sowie einen aufwendig gearbeiteten Intarsienboden. Die Wände waren mit Grotesken, Schlachtengemälden und Figuren aus der Familiengeschichte verziert. All diese Pracht wurde durch den Schlossbrand 1703 zerstört.
Da das Schloss seit dem Tod Markgraf Karls 1618 keine Residenzfunktion mehr hatte, wurde der Saal nicht wiederaufgebaut.
Die Kubatur und Grundstruktur der Renaissanceanlage ist im West- und Nordflügel und der Hofkirche erhalten. Eindrucksvolle Reste der die kompletten Außenfassaden überziehenden Sgraffitodekoration finden sich auf der Flurwand des Westflügels, die ursprünglich ohne Flurerschließung als Außenwand diente.
Vom Findelkind zum einzigen in Günzburg residierenden Markgrafen
Markgraf Karl von Burgau (1560 - 1618)
Trotz seiner Titel, trotz seiner neunjährigen Regierungszeit im Schloss Günzburg – das Leben Karls stand unter keinem günstigen Stern. Schon ein Jahr nach seiner Geburt stand fest: Da der Vater Ferdinand II. eine vom Kaiserhaus nicht gebilligte Ehe mit der Augsburger Bürgerstochter Philippine Welser eingegangen war, sollten Kinder aus dieser "illegitimen Verbindung" von der Herrschaftsfolge in den Vorlanden ausgeschlossen sein. Abnorm war auch der Eintritt Karls ins Leben: man setzte den Säugling aus, "fand" ihn, und als Findelkind konnte er von den Eltern angenommen und für ehelich erklärt werden. So wollte es der Zeitgeist. Der besorgte Vater unterließ nichts, diesen Makel auszugleichen; Karl erhielt eine glänzende Ausbildung, geistig und militärisch. Mühsam und etappenweise gelang es dem Vater, Titel und Besitztümer für die Aufwertung des Sohnes zu erwerben. Mit unterschiedlichem Erfolg versuchte Karl in der Folgezeit militärischen Kriegsruhm auf verschiedenen Kriegsschauplätzen in Europa zu erkämpfen. Die Fortüne war ihm dabei alles andere als hold. Auch seine hochangesetzten Heiratspläne vermag er nicht zu verwirklichen. Selbst die Herrschaft über die ihm schon lange zugewiesenen Besitztümer konnte er erst relativ spät antreten. Nach Zuweisung im Jahre 1605 sollte es noch vier Jahre dauern, bis er als real herrschender Regent über seine Herrschaftsgebiete gelten konnte. In seiner neunjährigen Regentenzeit verhalf er Günzburg zweifellos zu einer allgemeinen Prosperität; er vermochte in der Donaustadt ein respektables Hofleben zu etablieren. Ein geruhsames Leben war ihm aber auch hier nicht beschieden: Durch den unsicheren Rechtsstatus seiner Besitzungen und die ständigen Ansprüche der Insassen rissen die Kompetenzstreitigkeiten nicht ab. Weiterreichende politische Ambitionen des Markgrafen verstanden seine Gegner und das österreichische Kaiserhaus niederzuhalten. Er verstarb fern von seiner Residenz Günzburg in Überlingen.
Aus "Als Günzburg Residenzstadt war", Rudolf Seibold, Historischer Verein Günzburg
1768
Nach dem frühen Tod des Markgrafen Karl hatte die Residenz faktisch aufgehört zu existieren.
Wohl deshalb verzichtete man beim Wiederaufbau des Schlosses nach dem Brand 1703 auf wesentliche, für die Architektur so bedeutsame Elemente wie beispielsweise den einstigen Schlossturm im Winkel zwischen Nord- und Ostflügel oder den großen Festsaal.
Nachdem die Stadt Günzburg im Jahr 1750 Sitz eines vorderösterreichischen Oberamts wurde, stieg der Platzbedarf stark an. Das Schloss bot mit seinen vielen Räumen ideale Möglichkeiten, die neuen Behörden unterzubringen, so dass nach der Errichtung des Münzgebäudes (heute Stadtverwaltung) auch die übrigen Gebäudeteile einer gründlichen Instandsetzung und Adaption unterzogen wurden. Zu diesem Zweck hat man vor allem den Hauptbau einer grundlegenden Erneuerung unterzogen.
Die wohl bis dahin noch erhaltenen Reste der Renaissancegestaltung wurden aufgegeben und die beiden obersten Geschosse abgetragen. Dann wurde ein neues zweites und drittes Obergeschoss aufgesetzt sowie die Innenräume neu strukturiert.
Abschließend folgte die Errichtung eines hohen Mansardwalmdaches über dem Hauptbau.
Auch den spätmittelalterlichen Eckturm erhöhte man um ein weiteres fünftes Geschoss, bevor man ihn mit einem Mansardwalmdach überdeckte.
Die barocke Umgestaltung der Schlossanlage wurde durch den Wettenhauser Stiftsbaumeister Joseph Dossenberger ab 1768 durchgeführt. Zur damaligen Zeit entstanden nach dem barocken Stilempfinden entsprechende Raumfolgen aus Zimmer und Kabinett, wie sie in Resten noch im Westflügel erhalten sind. Die Decken trugen dabei einfachen Rahmenstuck. Neben der teilweisen Neustrukturierung der Räume wurden neue Fenster, Türen und Fußböden eingebaut.
Im Hauptgebäude erschloss eine große Treppenanlage eine durchaus als repräsentativ anzusehende Raumflucht im ersten Obergeschoss. Von einem großen Vorplatz gelangte man in einen annähernd quadratischen Saal in der Nordostecke des Grundrisses. Diesem waren entlang der Westseite zwei weitere, drei Fensterachsen umfassende Räume beigefügt. Von dort konnte noch das Turmzimmer erreicht werden.
In zweiten und dritten Obergeschoss hat sich im Norden des Hauptbaus ein großer, repräsentativer Saal nachweisen lassen. Dieser war mit einer perspektivisch angelegten, ionischen Kolossalordnung ausgemalt, von der sich umfangreiche Reste erhalten haben. Dabei fällt auf, dass die Malereien eine gewisse Ähnlichkeit zur ehemals malerischen Gestaltung der Fassaden haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehören Fassadenmalerei und die Ausmalung des Saales zur selben Zeitstellung, sind als wohl von Joseph Dossenberger konzipiert worden.
Zum Abschluss der Maßnahmen sind die Fassaden vollständig neu verputzt und mit einer aufwändigen Fassadenmalerei versehen worden. Bis zur Brüstung der Fenster im ersten Obergeschoss wurde eine Rustizierung angebracht. Ab dem ersten Obergeschoss gliederten mit Spritzwurf versehenen Spiegel die Flächen in vertikale Abschnitte. Die Fenster besaßen geohrte Faschen mit Dreiecks- bzw. Schweifgiebeln.
Von der aufwändigen Gestaltung Dossenbergers haben sich nur noch ganz kleine Spuren erhalten, die auf eine Farbgebung in Altweiß und Grau schließen lassen dürften.
2015
Nach dem Übergang des Gebäudes 1806 an das neu gegründete Königreich Bayern wurde aus der ursprünglich repräsentativen Schlossanlage ein Behördensitz für Forstamt, Landgericht und Rentamt. Massive Umbaumaßnahmen im 19. Jahrhundert sind der Anpassung an die Behördennutzung geschuldet: als Raumaufteilung waren nun kleinteilige Büro- und Wohnräume notwendig, die die ursprünglichen repräsentativen großen Dreifensterräume ersetzten. Die historischen Dachkonstruktionen wurden, bis auf das Mansarddach des Hauptbaus, komplett erneuert.
Um 1870 erhielt der ehemalige Stadtturm statt seines Mansardwalmdaches einen blechgedeckten Spitzhelm, der die Silhouette des Schlosses erheblich beeinträchtigt. Außerdem zerstörte man dadurch die bis dahin aus Ursulaturm, Stadttor und Schlossturm bestehende symmetrische Westansicht der Stadt.
Nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges fand ein purifizierender Wiederaufbau der gesamten Anlage statt, der sich nur wenig an der historischen Bedeutung und Substanz des Schlosses orientierte. Vor allem in den 1960er und 1970er Jahren zerstörte man alle bis dahin noch vorhandenen älteren Ausstattungsphasen, wie die barocke Haupttreppe, Fenster und Türen und überarbeitete die Außenfassaden unter Verlust sämtlicher historischer Putze.
Das Gebäude zeichnete sich 2015 durch eine Aneinanderreihung unterschiedlich behandelter Bauglieder aus, die nicht mehr als durchdachte, sicher konzeptionierte Schlossanlage der Renaissance bzw. des Barock zu begreifen war.
Es präsentierte sich als stark purifiziertes Ensemble, dessen äußeres Erscheinungsbild nur mehr in groben Zügen die einst vorhandene, aufwändige Behandlung seiner Architekturglieder erahnen lässt. Dafür verantwortlich war die gründliche Erneuerung sämtlicher Architekturoberflächen. Die für das äußere Erscheinungsbild relevanten Veränderungen wiederholten sich in hohem Maße auch im Inneren des Gebäudes. Es präsentierte sich in einer stark bereinigten Formensprache der 1960er Jahre. Die im 20. Jahrhundert realisierten Planungen, orientierten sich nicht mehr am bis dato überlieferten historischen Bestand, sondern versuchten ohne große Rücksichtnahme auf ältere Ausbauzustände einen funktionalen, modernen Behördensitz zu realisieren, dessen Raumkonzept im Widerspruch zu renaissance- und barockzeitlichen Raumvorstellungen stand.
2015, Blick in den Schlosshof vor der Sanierung
2021
Aus den Erkenntnissen des Bauforschers Dr. Bernhard Niethammer zur Baugeschichte des Schlosses entwickelte das Staatliche Bauamt Krumbach ein Gesamtkonzept, welches die historische Substanz wieder hervorholte und sie zum Leitmotiv machte.
Damit verbunden ist ein neuer Haupteingang, dessen zweigeschossige Glasfassade sich als neue Zeitschicht vor die barocken Arkaden am Westflügel stellt.
Die Glasfassade, die die bestehende historische Architektur ergänzt, geht aus der Analyse, Integration und Weiterentwicklung des vorgefundenen Bestandes hervor. In der Verbindung von neuen Architekturelementen und einer Neugestaltung der Fassaden entstand wieder eine Architektur-, Farb- und Formensprache, die in ihren wesentlichen Zügen die bauliche Bedeutung der einstigen Residenz der Markgrafen von Burgau für den Betrachter erfahrbar macht, ohne dass eine heute nicht mehr vorhandene Fassadengestaltung rekonstruiert wurde.
Durch die Öffnung der Arkadenbögen der Barockzeit bestand die Möglichkeit, die Sgraffitodekoration aus der Zeit der Renaissance sichtbar zu machen.
Sie entfaltet durch die Glasfassade hindurch und als Spiegelung der Hofkirche ihre noch immer vorhandene gestalterische Qualität und stellt ein unverfälschtes Zeugnis aus der Vergangenheit des Schlosses dar.
Die Schlossfassaden wurden überarbeitet und geben dem Gebäude wieder etwas von seiner einst wertvollen Fassadengestaltung zurück. Durch die neu entworfenen, jedoch auf historischen Vorbildern basierenden Fenster mit ihrer holzsichtigen Fassung erhalten die Fassaden Struktur. Unterstützend treten in den Putz eingetiefte Linien hinzu, die Elemente der barocken Fassadengliederung Joseph Dossenbergers aufgreifen und neu interpretieren.
Der goldene Farbton der Haupteingangstür steht symbolisch für die ursprünglich herrschaftliche Nutzung des Schlosses.
Um der westlichen Stadtansicht ihre barocke Symmetrie wieder zu geben und dem sanierten Ursulaturm seinen Gegenpart, wurde in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege entschieden, den in situ erhaltenen, unteren Bereich des historischen Turmdachstuhles wieder zu einem vollständigen Mansarddachstuhl zu ergänzen. Die zur Barockzeit vorhandene Laterne wurde nachgebildet. Auf der Spitze des wieder mit Bieberschwanzdachziegeln gedeckten Turmes thront die noch vorhandene barocke Turmspitze mit der goldenen Kugel.
Die barrierefrei gestaltete Treppenanlage zur Anbindung der westlichen Stadtbereiche endete bisher in einem aus den 1960-er Jahren stammenden engen Gebäudedurchgang im Südflügel. Um diesen Bereich städtebaulich aufzuwerten, öffnete sich nach der Sanierung wieder der historische Durchgang durch das Hauptgebäude.
Nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten können die Mitarbeiter des Finanzamtes Günzburg moderne Arbeitsplätze nutzen. Zudem erhielt die Stadt Günzburg neben seiner historischen, symmetrischen Stadtansicht auch einen angemessenen Westzugang. Zum ersten Mal seit der Erbauung wurden denkmalpflegerische, funktionale, energetische und gestalterische Aspekte in einem Gesamtkonzept in Einklang gebracht. Das Finanzamtsgebäude hat sich zu einem wertigen Baudenkmal gewandelt, dessen jahrhundertelange Geschichte spürbar und nachvollziehbar ist.
Eine zweigeschossige Glasfassade, als neue Zeitschicht vor die barocken Arkaden gestellt, bildet die neue Eingangssituation. Im Glas spiegelt sich das Renaissance-Sgraffito der Hofkirche.
Neues Serviczentrum des Fiananzamtes im Erdgeschoss des Westflügels.
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